Befristung und Betriebsratsamt: Betriebsratsamt kein Freifahrtschein zur Entfristung.

Paragraphenzeichen als Symbol für Gerichturteil oder Rechttipp

Die Nicht-Fortsetzung eines befristeten Arbeitsvertrag nach dessen Ende stellt für ein Mitglied des Betriebsrats stellt nicht automatisch eine Benachteiligung  wegen dessen Amtsübernahme dar.


1. Worum ging es im aktuellen Fall (2025)?

Ein Arbeitnehmer war seit 2021 befristet bei einem Logistikunternehmen beschäftigt. 2022 wurde er in den Betriebsrat gewählt. Sein Vertrag lief im Februar 2023 aus.

Von insgesamt 19 befristet Beschäftigten übernahm der Arbeitgeber 16 unbefristet – drei erhielten keine Entfristung, darunter das Betriebsratsmitglied.

Der betroffene Arbeitnehmer klagte und machte geltend:

  • Die Nichtübernahme sei eine Benachteiligung wegen seiner Betriebsratstätigkeit (§ 78 BetrVG, § 15 AGG).
  • Die Mehrheit der anderen befristet eingestellten Arbeitnehmer sei übernommen worden – nur er nicht.


2. Was entschied das BAG (2025)?

Das Bundesarbeitsgericht wies die Klage ab.

  • Grundsatz: Ein Betriebsratsmandat allein begründet keinen Anspruch auf Entfristung.
  • Die Tatsache, dass der überwiegende Anteil der befristet eingestellten Arbeitnehmer übernommen wurden (nur 3 von 19 nicht), reicht nicht aus, um automatisch eine Diskriminierung des Betriebsratsmitglieds zu vermuten.
  • Eine Beweislastumkehr nach § 22 AGG kommt damit nicht in Betracht. Dies hat zur Folge dass der Arbeitnehmer selbst beweisen musste, dass die Entscheidung gerade wegen seines Mandats gefallen ist – was ihm nicht gelang.


Fazit:
Das BAG sah keine Benachteiligung, weil es nachvollziehbar war, dass der Arbeitgeber nicht alle übernehmen wollte. Das Betriebsratsmandat schützt nicht vor einem Befristungsende, wenn es keine eindeutigen Hinweise auf Diskriminierung gibt.


3. Vergleich: Der ältere Fall von 2014 (7 AZR 847/12)

Bereits im Jahr 2014 entschied das BAG über einen ähnlich gelagerten Fall. Dort war die Faktenlage jedoch in Teilen anders:

  • Ein Arbeitnehmer mit Betriebsratsamt war ebenfalls befristet beschäftigt.
  • Nach Ablauf seiner Befristung wurden alle vergleichbaren Arbeitnehmer entfristet – nur er nicht.
  • Das BAG sah dies als starkes Indiz für eine Benachteiligung wegen der Betriebsratstätigkeit.
  • Das BAG bejahte als Folge des starken Indizes eine Beweislastumkehr (§ 22 AGG). Diese hatte zur Folge, dass der Arbeitgeber und nicht wie im Ausgangsfall der Arbeitnehmer darlegen musste, dass die Nicht-Entfristung nichts mit dem Mandat zu tun hatte. Das gelang ihm nicht.
  • Ergebnis: Der Arbeitnehmer hatte in dem im Jahr 2014 vom BAG entschiedenen Fall Anspruch auf unbefristete Weiterbeschäftigung.


4. Warum kam es zu unterschiedlichen Ergebnissen?

Im Jahr 2014 (BAG, Urteil vom 25. Juni 2014 – 7 AZR 847/12) war die Ausgangslage besonders eindeutig: Alle vergleichbaren befristet Beschäftigten wurden nach Vertragsende unbefristet übernommen – mit der einzigen Ausnahme des Betriebsratsmitglieds. Dieses Alleinstellungsmerkmal stellte für das Gericht ein starkes Indiz dafür dar, dass die Nichtübernahme wegen der Betriebsratstätigkeit erfolgt war. Damit griff die gesetzliche Beweislastregel des § 22 AGG: Der Arbeitgeber musste nachweisen, dass sachliche Gründe für die Entscheidung sprachen. Da ihm das nicht gelang, wurde eine Benachteiligung angenommen und dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf unbefristete Übernahme zugesprochen.

Im Fall von 2025 (BAG, Urteil vom 18. Juni 2025 – 7 AZR 50/24) war die Lage deutlich weniger klar. Zwar wurden auch hier die meisten befristet Beschäftigten unbefristet übernommen, jedoch nicht alle – drei von insgesamt neunzehn erhielten keinen Folgevertrag, darunter das Betriebsratsmitglied. Das BAG wertete diese Situation nicht als hinreichendes Indiz für eine Diskriminierung, weil der Kläger nicht der einzige Arbeitnehmer war, der nicht übernommen wurde. Anders gesagt: Die Tatsache, dass mehrere nicht übernommen wurden, schwächte den Verdacht, dass gerade die Betriebsratstätigkeit ausschlaggebend gewesen sein könnte. Deshalb kam es nicht zu einer Beweislastumkehr, und der Kläger blieb beweisfällig. Das Ergebnis war entsprechend: Kein Anspruch auf Entfristung.


5. Praxisbedeutung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

✅ Für Arbeitnehmer/Betriebsratsmitglieder:

  • Das Betriebsratsamt bietet keinen automatischen Bestandsschutz gegen Befristungsende.
  • Erfolg hat eine Klage nur, wenn Indizien deutlich auf eine Benachteiligung wegen des Mandats hindeuten (z. B. „alle übernommen – nur ich nicht“).


✅ Für Arbeitgeber:

  • Befristete Betriebsratsmitglieder dürfen bei Personalentscheidungen nicht schlechter behandelt werden.
  • Es ist jedoch zulässig, sie bei einer Auswahlentscheidung mit sachlichen Gründen nicht zu übernehmen.
  • Dokumentation der Auswahlkriterien ist wichtig, um Diskriminierungsvorwürfen zu begegnen.


Kurzfazit:

Das BAG bleibt damit konsequent: Nur wenn das Betriebsratsamt nachweislich den Ausschlag gibt, liegt eine Diskriminierung vor.


BAG, Urteil vom 18. Juni 2025 – 7 AZR 50/24 im Vergleich zu BAG, Urteil vom 25. Juni 2014 – 7 AZR 847/12


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