Erkrankt ein Arbeitnehmer und wird dessen Arbeitsunfähigkeit im Rahmen eines Attestes durch einen Arzt bestätigt, so kommt dieser Beurteilung grundsätzlich eine hohe Beweiskraft dahingehend zu, dass auch tatsächlich eine Erkrankung vorliegt. Treten jedoch Umstände hinzu, die begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Begutachtung aufkommen lassen, so kann diese Beweiswirkung entkräftet werden.
Zu diesem Ergebnis kam das Landesarbeitsgericht Hessen in einer Entscheidung, der der folgende Sachverhalt zugrunde lag:
Ein durch einen Arzt krank geschriebener Arbeitnehmer eines Krankenhauses gab seine Krankschreibung bei seinem Arbeitgeber ab und äußerte bei diesem Anlass gegenüber einem Kollegen, dass er „psychisch und physisch zwar fit sei wie noch nie, dies jedoch nicht für den Arbeitgeber. Daher habe er sich erneut krankschreiben lassen.“
Der Arbeitgeber, der von diesem Gespräch Kenntnis erlangte, sprach dem Arbeitnehmer nach vorheriger Anhörung der Mitarbeitervertretung die außerordentliche Kündigung aus.
Das Gericht hielt die außerordentliche Kündigung trotz der langjährigen Betriebszugehörigkeit und der Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers für gerechtfertigt, da durch das wahrheitswidrige Vorspiegeln einer Erkrankung das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers nachhaltig zerstört wurde. Insbesondere bedurfte es aus Sicht des Gerichts auch keiner vorherigen Abmahnung, da der Arbeitnehmer die Vertragswidrigkeit seines Verhaltens ohne weiteres selbst erkennen konnte.
LAG Hessen Urteil v. 08.02.2010; Az.: 16 Sa 890/09