Das Landesarbeitsgericht Bremen hat im Rahmen eines Urteils zum Verdacht des Arbeitszeitbetrugs die Anforderungen an eine Verdachtskündigung konkretisiert.
In dem Fall war die später gekündigte Arbeitnehmerin eines ambulanten Pflegedienstes mit ihrem privaten PKW ca. eine Stunde nach dem im Dienstplan vorgesehenen Arbeitsbeginn gesehen worden, obwohl sie für die Fahrten zu den Patienten stets den vom Arbeitgeber bereitgestellten Firmen-PKW nutzte. In dem von ihr ausgefüllten Einsatzplan zeichnete sie die erbrachten Leistungen sowie den Beginn und das Ende der Arbeitszeit ohne Korrekturen ab. Im Rahmen des später durchgeführten Anhörungsgesprächs konnte die Mitarbeiterin den verspäteten Arbeitsbeginn sowie die nicht stimmigen Vermerke zu den erbrachten Leistungen im Einsatzplan und deren Zeitpunkt nicht plausibel erklären.
Der Arbeitgeber sprach der Arbeitnehmerin daher nach vorheriger Anhörung des Betriebsrates die außerordentliche fristlose sowie hilfsweise die fristgerechte ordentliche Kündigung aus und begründete dies damit, dass aufgrund der Umstände der dringende Verdacht des Arbeitszeitbetrugs vorläge. Nach seiner Auffassung sei es unmöglich, den um eine Stunde verspäteten Arbeitsbeginn im Laufe des Tages aufzuholen, was den Verdacht nahe läge, dass die Mitarbeiterin ihre Arbeit nicht nur später aufgenommen habe als behauptet, sondern auch die laut Einsatzplan angeblich erbrachten Leistungen nicht vollständig erbracht habe.
In der Folgezeit ergänzte der Arbeitgeber die Begründung der Kündigung um einen späteren Vorfall, bei dem die Pflegekraft die angeblich an einem Patienten erbrachten Leistungen ebenfalls vollständig abhakte, obwohl dieser sich zu diesem Zeitpunkt in Krankenhaus befand. Hinsichtlich des Krankenhausaufenthaltes nahm die Mitarbeiterin lediglich eine kurze Zusatznotiz im Einsatzplan auf. Etwa zwei Monate nach Ausspruch der Kündigung wurden schließlich die von der Mitarbeiterin betreuten Patienten zu dem ersten Vorfall befragt, wobei diese die Angaben der Mitarbeiterin bestritten.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, wonach die Kündigung unwirksam ist. Es begründete die Entscheidung damit, dass im Falle einer Verdachtskündigung besonders strenge Anforderungen an die vom Arbeitgeber zu erbringenden Aufklärungspflichten gestellt werden müssen. Dazu sei es erforderlich, dass der Arbeitnehmer im Rahmen des Aufklärungsgesprächs mit konkreten Vorwürfen konfrontiert werde und nicht lediglich mit unsubstantiierten Wertungen. Ferner hätten die von der Arbeitnehmerin zu versorgenden Patienten zeitnah befragt werden müssen, da insbesondere bei älteren Menschen mit zunehmendem Zeitablauf die Gefahr bestünde, dass diese sich nicht mehr genau an vergangene Vorfälle erinnern können. Das Nachholen diese Befragung sei nicht ausreichend gewesen, da der Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Kündigung die Sachlage im Zeitpunkt von deren Ausspruch ist. Daher könnte ein Nachholen dieser Pflicht die Rechtswidrigkeit der Kündigung nicht nachträglich heilen. Es bedarf vor Ausspruch der Kündigung daher objektiver Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung, derer er verdächtigt wird, mit großer Wahrscheinlichkeit begangen hat. Diese Voraussetzungen sahen die befassten Gerichte im Kündigungszeitpunkt nicht als gegeben an und erklärten diese daher für unwirksam.
LAG Bremen Urteil v. 01.08.2008; Az.: 4 Sa 53/08